Der Geschichtenverkäufer

Auf dem Weg durch Aurlandsdalen kam mir ein Gedanke. Er war mir ganz neu und hing damit zusammen, daß ich kurz zuvor im Club 7 einen jungen Autor kennengelernt hatte. Er war nur vier oder fünf Jahre älter als ich. Ich hatte ihn zu einer Flasche Wein eingeladen, und wir hatten uns einen ganzen Abend lang unterhalten.
Petter Spinnenmann, genannt „die Spinne“, ist an die italienische Küste geflüchtet und greift zum Schreibgerät. Zum ersten Mal ist es an ihm, eine Geschichte aufzuschreiben. Es ist die Geschichte seines Lebens.

Es beginnt mit einem phantasievollen, überaus begabten und intelligenten Kind, dem die Ideen nur so sprudeln. Er erfindet Geschichten, geht ins Theater, Kino, in die Oper, liebt Tschaikowsky und liest Lexika. Er hat keine Freunde, lässt stattdessen Filme in seinem Kopf ablaufen. Selbst erfundene Filme.
Ich selber legte mir nie Freunde zu, ich wollte es nicht. Unternehmungen mit Freunden konnten sich unmöglich damit messen, was ich mir allein ausdenken konnte.
Bald beginnt er, Aufsätze für seine Mitschüler zu schreiben. Es steigert sich: seine überschäumende Phantasie nutzt er, um Geld zu verdienen, wird schließlich sogar reich mit einer einzigartigen Geschäftsidee: Er verkauft Romanideen an verkrachte Autoren. Zuerst zögerlich, dann mit System webt er sein Netz in zahlreichen Ländern der Erde. Irgendwann verstrickt er sich in seinem eigenen Netz. Damit hat vor allem Maria zu tun.
Sie war etwas ganz Besonderes, aber je besser ich sie kennenlernte, desto häufiger dachte ich, dass wir uns in vieler Hinsicht auch sehr ähnlich waren.
Schließlich muss er fliehen, er zieht sich aus der Öffentlichkeit und zu sich selbst zurück. Die Spinne findet ihre Vergangenheit, ihre Zukunft und sich selbst wieder, wo sie doch all das über der Webarbeit vergessen hatte.
Das Eis wirft Risse, und die kalte, finstere Tiefe unter der Oberfläche tut sich auf. Es werden keine Pirouetten mehr getanzt. Ich muss lernen, im tiefen Wasser zu schwimmen.
Es hat sich gelohnt, dieses Buch zu lesen. Gaarder schreibt einfach und fesselnd. Gekonnt transportiert er Emotionen und Gedanken, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen. Er versteht es, den Leser in sein eigenes Netz einzuweben und nicht mehr loszulassen. Am Ende steht eine wertvolle Erkenntnis: Man kann sich auf keine Weise dem schrecklichen, dem herrlichen Leben entziehen.

Der Geschichtenverkäufer

272 Seiten, € 9,90, Taschenbuch
dtv, ISBN 978-3423132503
aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs

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Der Geschichtenverkäufer

Auf dem Weg durch Aurlandsdalen kam mir ein Gedanke. Er war mir ganz neu und hing damit zusammen, daß ich kurz zuvor im Club 7 einen jungen Autor kennengelernt hatte. Er war nur vier oder fünf Jahre älter als ich. Ich hatte ihn zu einer Flasche Wein eingeladen, und wir hatten uns einen ganzen Abend lang unterhalten.
Petter Spinnenmann, genannt „die Spinne“, ist an die italienische Küste geflüchtet und greift zum Schreibgerät. Zum ersten Mal ist es an ihm, eine Geschichte aufzuschreiben. Es ist die Geschichte seines Lebens.

Es beginnt mit einem phantasievollen, überaus begabten und intelligenten Kind, dem die Ideen nur so sprudeln. Er erfindet Geschichten, geht ins Theater, Kino, in die Oper, liebt Tschaikowsky und liest Lexika. Er hat keine Freunde, lässt stattdessen Filme in seinem Kopf ablaufen. Selbst erfundene Filme.
Ich selber legte mir nie Freunde zu, ich wollte es nicht. Unternehmungen mit Freunden konnten sich unmöglich damit messen, was ich mir allein ausdenken konnte.
Bald beginnt er, Aufsätze für seine Mitschüler zu schreiben. Es steigert sich: seine überschäumende Phantasie nutzt er, um Geld zu verdienen, wird schließlich sogar reich mit einer einzigartigen Geschäftsidee: Er verkauft Romanideen an verkrachte Autoren. Zuerst zögerlich, dann mit System webt er sein Netz in zahlreichen Ländern der Erde. Irgendwann verstrickt er sich in seinem eigenen Netz. Damit hat vor allem Maria zu tun.
Sie war etwas ganz Besonderes, aber je besser ich sie kennenlernte, desto häufiger dachte ich, dass wir uns in vieler Hinsicht auch sehr ähnlich waren.
Schließlich muss er fliehen, er zieht sich aus der Öffentlichkeit und zu sich selbst zurück. Die Spinne findet ihre Vergangenheit, ihre Zukunft und sich selbst wieder, wo sie doch all das über der Webarbeit vergessen hatte.
Das Eis wirft Risse, und die kalte, finstere Tiefe unter der Oberfläche tut sich auf. Es werden keine Pirouetten mehr getanzt. Ich muss lernen, im tiefen Wasser zu schwimmen.
Es hat sich gelohnt, dieses Buch zu lesen. Gaarder schreibt einfach und fesselnd. Gekonnt transportiert er Emotionen und Gedanken, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen. Er versteht es, den Leser in sein eigenes Netz einzuweben und nicht mehr loszulassen. Am Ende steht eine wertvolle Erkenntnis: Man kann sich auf keine Weise dem schrecklichen, dem herrlichen Leben entziehen.

Der Geschichtenverkäufer

272 Seiten, € 9,90, Taschenbuch
dtv, ISBN 978-3423132503
aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs

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