1984

Es war ein kalter, klarer Tag im April, und die Uhren schlugen gerade dreizehn, als Winston Smith, das Kinn an die Brust gepreßt, um dem rauhen Wind zu entgehen, rasch durch die Glastüren eines der Häuser des Victory-Blocks schlüpfte, wenn auch nicht rasch genug, als daß nicht zugleich mit ihm ein Wirbel griesigen Staubes mit eingedrungen wäre.
»1984« gehört wohl zu den meistzitierten Büchern überhaupt. Kaum eine Ausgabe irgendeiner Zeitung, egal, wo sie sich auch politisch einordnen mag, scheint ohne einen Verweis auf »1984« auszukommen. Wenn von Überwachung die Rede ist, wird bald auch der Big Brother erwähnt, wenn sich – und besonders gerne machen das rechte Medien – mal wieder darüber beklagt wird, was man in unserer Gesellschaft alles nicht sagen darf, dann wird gerne und oft Orwells Gedankenpolizei bemüht. Das Buch ist fester Bestandteil der westlichen Kultur, auch der Popkultur. Die Gefahr dabei ist, dass das Buch reduziert wird auf wenige Aspekte; auf die, die irgendwie für die eigene Agenda verwertbar sind. Und dafür eignet sich das Buch auch hervorragend, so treffsicher und einprägsam Orwell den Staat in »1984 schildert«. Was oft vergessen wird: »1984« ist auch eine verdammt spannende, mitreißende Geschichte.

Es ist die Geschichte von Winston Smith, der in dem lebt, was früher London war. Jetzt, also im Jahre 1984, gibt es nur eine Partei, die sich, einfallsreich, »Die Partei« nennt. Sie bestimmt und kontrolliert das ganze Leben der Bürger, bis auf das der »Proles«, der einfachen Arbeiter, die einfach ignoriert werden; wenn sie auch 85 Prozent der Bevölkerung ausmachen, geht von ihnen keine Bedrohung für die Partei aus. Winston Smith also ist nach außen treuer Anhänger der Partei, wobei ihm bereits am Anfang der Geschichte Zweifel am Weg der Partei kommen, die er in ein geheimes Notizbuch schreibt. Im Laufe der Geschichte sucht er nach Gleichgesinnten, immer mit der Angst, vom allmächtigen Überwachungsapparat entdeckt zu werden.
Nun war er im Begriff, ein Tagebuch anzulegen. Das war nicht illegal (nichts war illegal, da es ja keine Gesetze mehr gab), aber falls es herauskam, war er so gut wie sicher, dass es mit dem Tode oder zumindest mit fünfundzwanzig Jahren Zwangsarbeitslager geahndet werden würde.
Viel ist schon gesagt und geschrieben worden, über die treffsicheren Vorhersagen Orwells, darüber, wen Orwell nun eigentlich kritisiert; wie oben bereits erwähnt, vereinnahmen sowohl rechte als auch linke Medien in schöner Regelmäßigkeit »1984«. Jeder so, wie es ihm gerade passt. Die meisten auf derart oberflächliche Art und Weise, dass man infrage stellen muss, ob sie das Buch überhaupt gelesen haben, oder Orwell nur heranziehen, um zu zeigen, dass Orwell auf ihrer Seite ist.

Wie gesagt: Was mir wirklich aufgefallen ist, ist, dass es eine unglaublich gute, spannende Geschichte ist, die klar, kraftvoll und zugänglich ist.
Die Welt, die Orwell beschreibt, ist so fürchterlich, wie sie glaubhaft ist. Er beschreibt lebendig die gesellschaftlichen Entwicklungen, die sich vor und nach der Machtübernahme der Partei ereigneten, und mit Winston Smith, O´Brien und Julia hat er Figuren erschaffen, die man wahrscheinlich nie vergessen wird.
Am Ende ist man derart mitgerissen, dass man sich beinahe wünscht, Orwell wäre nicht so konsequent gewesen, die Geschichte so enden zu lassen, wie er sie enden lassen hat. Smiths Kampf gegen die Partei wird plausibel dargestellt, die Widersprüche der Partei sind offenkundig, aber ihre innere Logik ist stimmig. Winston ist kein überlebensgroßer Held, einfach ein Mann, der sich seine Gedanken macht; und der am Ende - und da verrate ich wohl nicht zu viel - doch nichts ausrichten kann.
Wer das Buch also noch nicht gelesen hat und denkt, das sei eh nicht nötig, da man an jeder Ecke darüber hört oder liest, der sollte das besser nachholen. Es ist nämlich keine trockene politische Abhandlung, sondern, im Gegenteil, eine der spannendsten Geschichten, die ich gelesen habe.

Rezension von Oliver Ahrens

1984

544 Seiten, € 12,00, gebunden
Ullstein, ISBN 978-3548289458
aus dem Englischen von Michael Walter

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1984

Es war ein kalter, klarer Tag im April, und die Uhren schlugen gerade dreizehn, als Winston Smith, das Kinn an die Brust gepreßt, um dem rauhen Wind zu entgehen, rasch durch die Glastüren eines der Häuser des Victory-Blocks schlüpfte, wenn auch nicht rasch genug, als daß nicht zugleich mit ihm ein Wirbel griesigen Staubes mit eingedrungen wäre.
»1984« gehört wohl zu den meistzitierten Büchern überhaupt. Kaum eine Ausgabe irgendeiner Zeitung, egal, wo sie sich auch politisch einordnen mag, scheint ohne einen Verweis auf »1984« auszukommen. Wenn von Überwachung die Rede ist, wird bald auch der Big Brother erwähnt, wenn sich – und besonders gerne machen das rechte Medien – mal wieder darüber beklagt wird, was man in unserer Gesellschaft alles nicht sagen darf, dann wird gerne und oft Orwells Gedankenpolizei bemüht. Das Buch ist fester Bestandteil der westlichen Kultur, auch der Popkultur. Die Gefahr dabei ist, dass das Buch reduziert wird auf wenige Aspekte; auf die, die irgendwie für die eigene Agenda verwertbar sind. Und dafür eignet sich das Buch auch hervorragend, so treffsicher und einprägsam Orwell den Staat in »1984 schildert«. Was oft vergessen wird: »1984« ist auch eine verdammt spannende, mitreißende Geschichte.

Es ist die Geschichte von Winston Smith, der in dem lebt, was früher London war. Jetzt, also im Jahre 1984, gibt es nur eine Partei, die sich, einfallsreich, »Die Partei« nennt. Sie bestimmt und kontrolliert das ganze Leben der Bürger, bis auf das der »Proles«, der einfachen Arbeiter, die einfach ignoriert werden; wenn sie auch 85 Prozent der Bevölkerung ausmachen, geht von ihnen keine Bedrohung für die Partei aus. Winston Smith also ist nach außen treuer Anhänger der Partei, wobei ihm bereits am Anfang der Geschichte Zweifel am Weg der Partei kommen, die er in ein geheimes Notizbuch schreibt. Im Laufe der Geschichte sucht er nach Gleichgesinnten, immer mit der Angst, vom allmächtigen Überwachungsapparat entdeckt zu werden.
Nun war er im Begriff, ein Tagebuch anzulegen. Das war nicht illegal (nichts war illegal, da es ja keine Gesetze mehr gab), aber falls es herauskam, war er so gut wie sicher, dass es mit dem Tode oder zumindest mit fünfundzwanzig Jahren Zwangsarbeitslager geahndet werden würde.
Viel ist schon gesagt und geschrieben worden, über die treffsicheren Vorhersagen Orwells, darüber, wen Orwell nun eigentlich kritisiert; wie oben bereits erwähnt, vereinnahmen sowohl rechte als auch linke Medien in schöner Regelmäßigkeit »1984«. Jeder so, wie es ihm gerade passt. Die meisten auf derart oberflächliche Art und Weise, dass man infrage stellen muss, ob sie das Buch überhaupt gelesen haben, oder Orwell nur heranziehen, um zu zeigen, dass Orwell auf ihrer Seite ist.

Wie gesagt: Was mir wirklich aufgefallen ist, ist, dass es eine unglaublich gute, spannende Geschichte ist, die klar, kraftvoll und zugänglich ist.
Die Welt, die Orwell beschreibt, ist so fürchterlich, wie sie glaubhaft ist. Er beschreibt lebendig die gesellschaftlichen Entwicklungen, die sich vor und nach der Machtübernahme der Partei ereigneten, und mit Winston Smith, O´Brien und Julia hat er Figuren erschaffen, die man wahrscheinlich nie vergessen wird.
Am Ende ist man derart mitgerissen, dass man sich beinahe wünscht, Orwell wäre nicht so konsequent gewesen, die Geschichte so enden zu lassen, wie er sie enden lassen hat. Smiths Kampf gegen die Partei wird plausibel dargestellt, die Widersprüche der Partei sind offenkundig, aber ihre innere Logik ist stimmig. Winston ist kein überlebensgroßer Held, einfach ein Mann, der sich seine Gedanken macht; und der am Ende - und da verrate ich wohl nicht zu viel - doch nichts ausrichten kann.
Wer das Buch also noch nicht gelesen hat und denkt, das sei eh nicht nötig, da man an jeder Ecke darüber hört oder liest, der sollte das besser nachholen. Es ist nämlich keine trockene politische Abhandlung, sondern, im Gegenteil, eine der spannendsten Geschichten, die ich gelesen habe.

Rezension von Oliver Ahrens

1984

544 Seiten, € 12,00, gebunden
Ullstein, ISBN 978-3548289458
aus dem Englischen von Michael Walter

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Rezensiert von Gast