von Evelyn Waugh
Wiedersehen mit Brideshead
Bald darauf fuhren wir weiter, und eine Stunde später bekamen wir Hunger. Wir machten Rast an einer Gastwirtschaft, die auch so etwas wie ein Bauernhof war, und aßen Eier mit Speck, Walnut Pickles und Käse und tranken unser Bier in einem schummrigen Speisesaal, wo eine alte Uhr im Dunkeln tickte und eine Katze vor dem leeren Kaminrost schlief.Charles Ryder, einen englischer Offizier, verschlägt es mit seiner Truppe im zweiten Weltkrieg nach Brideshead, dem Anwesen der Adelsfamilie Marchmain, deren Geschichte »Wiedersehen mit Brideshead« zum Thema hat. Sowohl mit dem Haus als auch mit der Familie verbinden Ryder ihn die Höhen und Tiefen der Zeit zwischen den Weltkriegen, in der die Geschichte spielt.
In Oxford lernt er als Student Sebastian Flyte, den Sohn von Lord und Lady Marchmain, kennen, der exzentrisch und skurril wirkt, insbesondere durch seinen Stoffbären Aloysius, den er wie ein lebendiges Wesen, einen Freund behandelt. Ihm verfällt Charles geradezu und Sebastian ist es indirekt auch, der ihn, auch durch seinen zunehmenden Alkoholismus und den daraus resultierenden Niedergang, dazu bewegt sein Studium abzubrechen. Sich neu besinnend, entschließt Charles sich dazu Maler zu werden und geht dafür zunächst nach Paris, später auch nach Südamerika. Jahre vergehen, er heiratet, entfremdet sich durch den Amerikaaufenthalt jedoch von seiner Frau und kann in all der Zeit die Familie Marchmain nicht abschütteln. Er trifft Sebastian Flytes Schwester Julia wieder, der er damals nur flüchtig vorgestellt worden war, und mit der sich eine tiefe Liebesbeziehung anbahnt, die letzten Endes doch zum Scheitern verurteilt ist.
Die Familie Marchmain ist fragil und verkörpert mit ihrer Zerissenheit, sowohl im Ganzen als auch immer wieder durch ihre einzelnen Mitglieder, die Orientierungslosigkeit und Unsicherheit der Zeit. Lord und Lady Marchmain entzweit die Religion, ein stetiges Thema des Buches, sodass ersterer nach Italien auswandert. Sebastian erkrankt am Alkoholismus und geht an ihm zugrunde, sein älterer Bruder Brideshead hingegen ist beherrscht, farblos und erzkatholisch. Julia scheint so recht nicht ihren Platz zu finden und hadert mit sich selbst, ihrer Umwelt, ihrem Katholizismus. Sie heiratet zunächst den Emporkömmling und Protestanten Rex Mottram und erleidet eine Fehlgeburt, sieht dann jedoch Charles wieder und lässt sich von ihrem Mann scheiden. Die jüngste Marchmain, Cordelia, ist ebenfalls fromm katholisch und sieht ihre Berufung darin, als Krankenschwester ins bürgerkriegsgeschüttelte Spanien zu gehen, bevor sie, wie auch der Rest der Familie, nach Brideshead zurückkehrt.
Der Roman erscheint, kaum zur Seite gelegt, rückblickend als schwere Kost, behandelt er doch einen schwierigen Abschnitt der Geschichte, genauso wie die Tragik und die Wirrnisse zwischenmenschlicher Beziehungen. In seiner ausgeformten, vielseitigen Sprache, immer den richtigen Ton treffend, zeichnet Evelyn Waugh klare, wenn auch oftmals düstere Bilder, die den Leser nicht selten durch Metaphern zum Innehalten zwingen, um einen Abschnitt noch einmal zu lesen. Es scheint kaum möglich die zahlreichen Facetten dieser Geschichte durch nur einmaliges Lesen zu erfassen, obgleich bereits die erste Lektüre in meinem Kopf ihre Spuren und mit Sicherheit, wohl nicht zuletzt auch durch den für mich unerwarteten Schluss, eine gewisse Schwere, ein Beeindrucktsein hinterlässt.
Wiedersehen mit Brideshead
von Evelyn Waugh
Rezensiert von Juliane Kopietz
Juliane Kopietz arbeitet in Köln, lebt in Frankfurt am Main und erledigt alles andere auf dem Weg dazwischen.