Die sechs Reisen des Loan Sloane

Im Jahr 804 der neuen Zeit, nach dem großen Schrecken, beschlossen die Menschen, ihre Herrschaft auf das gesamte Universum auszudehnen. Bis in alle Ewigkeit sollte der unendliche Strom der Sterne im Zeichen des Reichs der Menschen stehen… So schwärmten gewaltige stählerne Karawanen aus zur Erstürmung des Alls. Zeit verging. Nur wenige kehrten zurück. Das Universum bewahrte seine Geheimnisse. Ein Erdenmensch, Rebell unter seinesgleichen, gleitet einsam durch die Weiten des großen kosmischen Ozeans.
Gleich zu Beginn gerät unser Held vom Regen in die Traufe: Aus unerklärlichen Gründen löst sein Raumschiff die Selbstzerstörung aus. Doch statt als Leichnam durch die ewig-kalte Leere des Alls zu treiben, findet sich Sloane in den Händen einer Sekte wieder, die irgendeine grundböse Gottheit in seinen Körper schleusen möchte. Was schon irgendwie blöd ist. Aber andererseits ist es kein Problem, das nicht binnen acht großformatiger Seiten gelöst werden kann. Ohne übermäßiges Zutun von Seiten Sloanes, nebenbei bemerkt. Reise eins ist damit durch, es folgen noch fünf weitere, in denen Sloane zwar erstaunlich viele Gefährte verschleißt, ansonsten aber auch weiterhin eher passiv bleibt.

Vielleicht hat es die Inhaltsangabe schon angedeutet: Handlung ist nicht so die Stärke der ersten »Loane Sloane«-Stories. Das mag daran liegen, dass sie (wie dereinst schon »Asterix und Obelix«) im französischen Comicmagazin »Pilote« erschienen und deshalb nur eine Handvoll Seiten pro Geschichte zur Verfügung stand. Trotzdem hätte Autor und Zeichner Philippe Druillet hier wohl etwas stärker auf mehrteilige Handlungsbögen klopfen sollen, denn die vorliegenden sechs Geschichten wirken schon reichlich hyperaktiv in der Geschwindigkeit, in der sie sich jeweils auflösen. Meist ergeben sich dabei auch noch enttäuschend antiklimaktische Enden. Enttäuschend vor allem auch, weil die Welten, in die wir Leser dabei jeweils einen raschen Blick werfen dürfen, allesamt wahnsinnig interessant sind und die Grundideen hinter den jeweiligen Geschichten etwas sehr schön Mythisches an sich haben, was auch wundervoll zu der etwas angestaubt und pathetisch klingenden Sprache passt. Aber was bringt es einem letztlich, in passender Sprache sechs berauschend-mythische Orte kennenzulernen, wenn wir quasi vorbeirasen und dann nicht mal ein befriedigendes Ende der jeweiligen Geschichte serviert bekommen.

»Berauschend« bringt uns dann auch zur eigentlichen Stärke Druillets und des vorliegenden Comicbands: Diese Bilder! In nahezu waghalsigen Kompositionen, die durch das überbordende Überformat (34,5 x 25 cm – das hat schon fast Gemäldequalitäten!), zu dem sich der Avant-Verlag glücklicherweise hat hinreißen lassen, wundervoll zur Geltung kommen, zeigt der Zeichner hier, wie egal ihm der klassische Aufbau von Comics ist. Selbst die Lesereihenfolge der einzelnen Panels ist manchmal nur zu erahnen. Stattdessen bekommt man seitenfüllende, organisch wirkende und immer auch ein wenig psychedelisch anmutende Zeichnungen, die mal wie Jugendstilgemälde komponiert und mal wie von M. C. Escher inspiriert sind. Und obgleich man ihnen anmerkt, dass sie schon um die 50 Jahre auf dem Buckel haben, sind sie doch klar gleich mehrere Blicke wert.

Die Geschichten mögen also nicht so berauschend sein, die Bilder aber sind es dafür umso mehr. Und es gibt Grund zur Hoffnung: Denn die an die »Sechs Reisen« anschließende Geschichte, mit Namen »Delirius« und ebenfalls bereits im Avant-Verlag überformatig erschienen, durfte sich nicht nur über etliche »Pilote«-Ausgaben erstrecken, sie entstammt auch der Feder des genialen Jaques Lob, dessen Geschichte um den »Schneekreuzer« hier ja schon ausführlich belobhudelt wurde. Man sollte die »Sechs Reisen« also lieber als kleine Amuses Gueules rezipieren und umso gespannter der Dinge harren, die dem armen, leidgeprüften Herrn Sloane da noch so bevorstehen!

Die sechs Reisen des Loan Sloane

80 Seiten, € 29,99, gebunden
Avant-Verlag, ISBN 978-3945034262

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Rezensiert von Martin Katzorreck