von Peter Handke
Die linkshändige Frau
Sie war dreißig Jahre alt und lebte in einer terrassenförmig angelegten Bungalowsiedlung am südlichen Abhang eines Mittelgebirges, gerade über dem Dunst einer großen Stadt. Sie hate Augen, die, auch wenn sie niemanden anschaute, manchmal aufstrahlten, ohne dass ihr Gesicht sich sonst veränderte.Was Peter Handke in diesem Buch mit mir angestellt hat, kann ich nur schwer in Worte fassen: Eine Frau beschließt von einem Augenblick auf den anderen, ihren Mann, der eben erst von einer langen Geschäftsreise zurückgekehrt ist, vor die Tür zu setzen. Am selben Nachmittag noch holt er seine Sachen ab, zieht zu einer Bekannten, und seine Frau flüchtet sich in ein Leben aus Stille. Ein paar Mal sehen sie sich noch, doch über die Gründe für diese Veränderung verliert keiner von beiden mehr ein Wort.
Bis zum letzten Satz weiß der Leser nicht, was er über all das denken soll, und doch hat mich diese Erzählung tief bewegt. Handkes Sprache hat einen großen Anteil daran - er ist ein ständiger Beobachter, der nicht die kleinste Emotion verrät, höchstens andeutet. Die Figuren bleiben bis zum Ende hin geisterhaft, größtenteils sogar unverständlich; und doch sind es Menschen, und zwar vielleicht die deutlichsten und echtesten Menschen, die mir bis dahin begegnet sind. Namen fallen nur im direkten Dialog, außerhalb ihres Lebens sind sie für die Sprache nur Hüllen.
Die Frau: "Du siehst furchtbar traurig aus, Bruno." Bruno: "So was sagst du doch nur, um mich zu entwaffnen." Sie schwiegen lange. Dann lachte Bruno; er drehte sich weg, fasste sich gleich wieder: "Ich bin zu Fuß hierhergekommen. Ich wollte dich zerstören." Die Frau näherte sich ihm, und er sagte: "Rühr mich nicht an. Bitte, rühr mich nicht an." Nach einer Pause: "Manchmal glaube ich, du machst nur einen Versuch mit mir; das, was sich ereignet, soll mich auf die Probe stellen. Dieser Gedanke beruhigt mich ein wenig." Nach einer Pause: "Gestern habe ich mir einmal gedacht, es wäre ab und zu ganz freundlich, wenn es einen Gott gäbe."Danke für dieses kurze, aber große Stück Literatur.
Die linkshändige Frau
von Peter Handke
Rezensiert von Alexander Schau
Alex lebt schon eine Weile nicht mehr in Leipzig, liebt aber immer noch Ebooks und liest eigenen Angaben zufolge durchschnittlich 6,73 Bücher pro Monat. Paulo Coelho findet er immer noch widerlich, daran hat auch der Umzug nichts geändert.