Amateure

Die Temperaturen stiegen in den frühen Morgenstunden auf siebzehn Grad, in rascher Abfolge wechselten die aufziehenden Wolkenschichten ihre Farben. Nasskalte Graupelschauer gingen in Hagelstürme über.
»In der Liebe und Im Leben sind wir alle Amateure.« - Klingt wie ein gutgemeinter Poesiealbumspruch, ist hier aber etwas völlig anderes, nämlich sozusagen der Leitsatz für die elf in diesem Erzählband versammelten Kurzgeschichten.

Die Figuren in diesen Geschichten sind keine Helden, sind weit davon entfernt, irgendetwas Besonderes zu sein. Kleine, ganz unauffällige und durchschnittliche Menschlein, nach denen man sich auf der Straße nicht umdrehen würde.
Eines haben sie alle gemeinsam: Zufriedenes Leben geht anders. Auch wenn sie alle ihr Päckchen mit einer gewissen Leichtigkeit zu tragen scheinen, sind sie sicher nicht glücklich. Sie haben sich damit abgefunden, dass sie kaum noch etwas zu erwarten haben. Sie haben Chancen verpasst, falsche Entscheidungen getroffen, sind älter geworden, aber nicht klüger. Vieles ist ihnen noch immer nicht klar: Woher weiß man, was man falsch macht und was richtig? Woran misst man das? Und was ist das eigentlich, dieses »Leben«?
Während sie den Tod übte, fühlte sie sich lebendig. Sie atmete entschiedener, ihr ganzer Körper pulsierte. Manchmal versuchte sie, sich ihr Herz vorzustellen, sah aber nur einen roten, pumpenden Muskel vor sich. (aus »Generalprobe«)
Auch wenn ich die übrigen Bücher von Angelika Klüssendorf bisher immer sehr mochte, bleibt mir diesmal doch nicht viel mehr übrig, als ernüchtert den Kopf zu schütteln und zu fragen: Wie, das war’s also? Das sind sie, diese »Amateure«? Menschen, die auf der Stelle treten?
Bei einem derart allumspannenden Leitmotiv hätte ich doch etwas mehr erwartet. Die Figuren werden nur oberflächlich angerissen, für ihre wirkliche Persönlichkeit nimmt sich die Autorin nicht eine Minute Zeit. So bleiben die Charaktere sogar für Kurzgeschichtenverhältnisse beeindruckend grau und leer.

Die Geschichten selbst bieten wenig Neues, drei, vier sind darunter, die ich ganz schön fand. Die Sprache trägt ihr Übriges zu meinem doch sehr ernüchterten Gesamteindruck bei: Sie ist klar, präzise und schnörkellos und dadurch im Ganzen gleichzeitig leider eben nicht mehr als emotions- und teilnahmslose Trägermasse. Sie hat keine Ecken, nichts, was auffiele, und das ist sehr schade, denn vielleicht hätte gerade die Sprache den größtenteils recht schwerfälligen Episoden ein wenig sicher(er)en Halt geben können.
So aber bleibt »Amateure« ein gänzlich unnachhaltiger Streifzug durch das Leben einiger x-beliebiger Menschen, die es genauso wie wir auch nicht draufhaben.

Amateure

144 Seiten, € 16,90, gebunden
Fischer, ISBN 978-3100382030

Rezensiert von Alexander Schau