Sophia, der Tod und ich

Es klingelte an der Tür, und im Treppenhaus roch es nach frisch gebrühtem Kaffee.
Ein unscheinbarer, sinnlicher Anfang für einen Roman, der jedoch sogleich seine humorvolle Seite präsentiert:
Das tat es eigentlich gar nicht, aber ein Freund von mir meinte einmal, wenn er einen Roman schreiben würde, würde er genau mit diesem Satz anfangen: »Im Treppenhaus roch es nach frisch gebrühtem Kaffee.«
Und schon ist man mitten im Geschehen, denn es ist ein ungewöhnlicher Besucher, der geklingelt hat und den Ich-Erzähler abholen möchte.
Ich: »Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?«
Hinter mir lag kein Paket, das ich für die Mitmieter meines Hauses angenommen hatte.
Er: »Guten Tag. Eigentlich können Sie mir gar nicht helfen. Ich bin der Tod, und Sie müssen jetzt mitkommen.«
Für gewöhnlich haben die Sterbenden dann noch drei Minuten Zeit zu leben und geraten außer sich, wollen telefonieren oder einen anderen letzten Wunsch erfüllt bekommen. Im Roman von Thees Uhlmann passiert jedoch Ungewöhnliches: der Ich-Erzähler freundet sich mit dem Tod an, es vergehen mehr als drei Minuten und es klingelt erneut an der Tür. Diesmal ist es Sophia, die Ex-Freundin des knapp 40jährigen Ich-Erzählers, die ihn ebenfalls abholen möchte, um mit ihm zu seiner Mutter zu fahren, die ihn schon lange erwartet. Ein Glück, dass der Tod sehr neugierig ist und keine Eile an den Tag legt. So zieht das Trio Infernale los und kommt in unmögliche Situationen, die nachzuerzählen sich nicht lohnt, weil es der Wortwitz ist, der die Qualität des Romans ausmacht, gepaart mit dem nötigen Ernst angesichts des drohenden Endes und einer großen Portion Humor, die in gelungenen Dialogen dargeboten wird. Der Erzähler erinnert sich an eine andere Situation, in der es bei ihm geklingelt hat, drei Frauen standen vor seiner Tür:
Die: »Lesen Sie die Bibel?«
Ich: »Nur die brutalen Stellen und die Verwandtschaftsverhältnisse im Alten Testament. Zu welcher Kirche gehört ihr eigentlich?«
Die: »Zu den Zeugen Jehovas.«
Ich: »Krass, ihr seid die?«
Die: »Ja.«
Ich: »Find ich gut, dass ihr hier durch die Gegend geht. Anstrengend für euch, oder?«
Die: »Ja.«
Ich: »Ich bin leider nicht der richtige Ansprechpartner für euch, aber echt alles Gute. So hugenottisch gemeint. Gott liebt die, die den harten Acker pflügen.«
Die: »Wollen Sie uns verarschen?«
Ich: »Ich meine das ernst. Wenn selbst die Zeugen Jehovas an Ironie glauben, dann geht es wirklich mit der Welt zu Ende. Darf ich dann mit euch mit?«
Die: »Beten Sie denn ab und zu?«
Ich: »Nur wegen Fußball!«
Die: »Ich glaube, das reicht nicht.«
Schon bald sind die drei bei der Mutter angekommen, die begeistert ist vom Tod, weil der adrette, aus Holland stammende Morten de Sarg so gute Manieren hat. Sophie hätte sie sowieso schon immer gern als Schwiegertochter gehabt, und der Ich-Erzähler kann tatsächlich noch einen letzten Wunsch äußern: Seinen eigenen 8jährigen Sohn Johnny zu besuchen, den er seit sieben Jahren nicht mehr gesehen hat. Johnny lebt bei seiner reichen Mutter, und zu viert macht sich das ungleiche Quartett im Auto auf die Reise, die zu einem Roadtrip quer durch Deutschland wird und bei dem es einige Abenteuer zu bestehen gibt.

Thees Uhlmann geht auf spielerische Art mit einem sehr ernsten Thema um, lässt den Ich-Erzähler, der ein notorischer Miesepeter ist, im Angesicht seines Todes all die wichtigen Dinge des Lebens erleben und begreifen, die er in seinen bisherigen Dasein nicht erkennen konnte. Er genießt es, seine Mutter glücklich zu machen und verliebt sich erneut ein wenig in Sophie. Die Konfrontation mit seinem Lebensende macht ihn zu einem besseren Menschen, zu einem, der plötzlich verstanden hat, worauf es im Leben ankommt. Schade nur, dass diese Einsicht erst so spät kommt, denn es ist nur eine kurze Zeitspanne, die er mit dieser Einsicht leben kann, dann kommt es zum großen Showdown und alles löst sich auf.

Uhlmanns Debütroman funktioniert einwandfrei, gemeinsam mit dem Trio bzw. Quartett zieht der Leser auf Abenteuerreise und freut sich jedesmal, wenn weitere Menschen auftauchen, weil die Dialoge in diesen Momenten die größte Qualität vorweisen. Der Roman ist gleichzeitig witzig und ernst, weil er große Fragen des Lebens berührt und Antworten sucht. Mag sein, dass das nach Küchenphilosophie klingt, aber es ist sehr unterhaltsam - vor allem auch, weil Uhlmann Glücksmomente beschreiben kann, ohne dabei in Kitsch abzudriften. Sehr empfehlenswert, ein richtiges Lesevergnügen.

Sophia, der Tod und ich

320 Seiten, € 9,99, Taschenbuch
Kiepenheuer & Witsch, ISBN 978-3462047936

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Rezensiert von Dennis Gerstenberger