Der perfekte Kreis

Es gibt noch immer Felder in England, die so ungeheuer groß sind, dass du eine Stunde oder länger an ihnen entlanggehen oder sie überqueren oder durchqueren kannst und es dir so vorkommt, als hättest du dich keinen Zentimeter von der Stelle bewegt.
Etwas Merkwürdiges geht vor sich im Südengland des Jahres 1989: Immer wieder tauchen auf den großen Weizenfeldern über Nacht seltsame kreisrunde Muster auf, deren Herkunft sich niemand so recht erklären kann. Die einen halten die Kornkreise für einen Dummejungenstreich, die anderen glauben gar an Außerirdische. Es dauert nicht lang, bis die unerklärlichen Vorkommnisse auch bis weit über den Süden Englands hinaus für Schlagzeilen sorgen und ein regelrechter Kornkreistourismus einsetzt: Dutzende sogenannte Experten strömen mit selbstentworfenen Messgeräten zu den Schauplätzen, findige Bauern aus der Gegend verkaufen Sandwiches und schwarzen Tee an die Schaulustigen. Auch Le Monde und DIE ZEIT berichten.
Und während die wildesten Theorien und Gerüchte über den Ursprung der ungewöhnlichen Muster ihre Blüten treiben, sind da zwei Männer, die völlig ungerührt von allen Spekulationen einen geheimen Plan verfolgen: Redbone und Calvert haben beide ihre ganz eigenen Gründe dafür, dass sie nächtelang auf einsamen Feldern immer kunstvollere Muster erschaffen. Was sie beide auf Ihrem Weg zum perfekten Kornkreis antreibt, ist ein tiefer Respekt vor der Natur und der Sinn für das Schöne. Was sie eint, ist ihre Freundschaft.
Redbone und Calvert lernten sich vor zehn Jahren kennen, oder vielleicht vor zwanzig oder fünfzig oder sechstausend Jahren, denn Tatsache ist, dass die Einzelheiten der Vergangenheit keinem von beiden besonders wichtig sind. Sie beladen sich nicht den Kopf mit bedeutungsvollen Daten oder nostalgischen Erinnerungen. Diese Art Männer sind sie nicht. Keiner von ihnen ist mit dem Leiden geschlagen, das Sentimentalität genannt wird.
Die sehr charmante Idee hinter diesem Roman ist gleichzeitig leider auch seine größte Schwäche: Die Beweggründe und Absichten der zwei Freunde sind zwar ungewöhnlich und gerade deshalb interessant, können die Geschichte aber nicht lang genug tragen. Der Handlung geht spätestens in der Mitte des Romans die Puste aus, nicht zuletzt auch, weil die Beweggründe der beiden zwar immer wieder thematisiert, aber nie wirklich nachvollziehbar gemacht werden. Benjamin Myers beleuchtet zwar immer wieder auch einzelne Aspekte aus der Vergangenheit der beiden Männer, kratzt dabei aber meistens nur an der Oberfläche und liefert zwar Beschreibungen, aber keine Erklärungen. Die beiden Charaktere bleiben größtenteils nur schablonenhafte Prototypen, denen es an Tiefe fehlt. Insbesondere die Frage danach, wie diese ungewöhnliche Freundschaft überhaupt zustande kam, bleibt bis zum Schluss unbeantwortet.
Am allerwichtigsten ist, dass wir die Aufmerksamkeit auf das Land selbst lenken. Weil, ernsthaft, es geht nicht um die Muster oder die Kornfelder, es geht um das Land. Das Land.
Sprachlich ist da trotzdem sehr viel Schönes dabei, und auch die eine oder andere Szene beweist deutlich, dass Benjamin Myers sein Handwerk beherrscht. Alles in allem ist »Der perfekte Kreis« daher ein durchaus lesenswerter Zeitvertreib für zwischendurch, der vor allem stilistisch Freude macht.

Der perfekte Kreis

224 Seiten, € 22,00, Taschenbuch
DUMONT, ISBN 978-3832181581
aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

→ Leseprobe→ kaufen
Rezensiert von Alexander Schau