5 Fragen an Antoine Laurain

Welches Buch hätten Sie selbst gern geschrieben?

Eine schwierige Frage ... Ich könnte antworten: »Die Suche nach der verlorenen Zeit« von Proust, aber das ist sinnlos, denn ich habe seine Welt nie kennen gelernt.
»Reise bis ans Ende der Nacht« von Céline, aber auch das nicht so wirklich; ich habe den Ersten Weltkrieg nicht miterlebt, ich bin nie in Schwarzafrika gewesen, noch im New York der 20er Jahre ... Ich suche immer noch nach einer Antwort ... Vielleicht ein Buch, das mich kürzlich sehr berührt hat, als ich es las: »Das Leben Gebrauchsanweisung« von Georges Perec (1978). Ein erstaunliches Buch, das ein Pariser Wohnhaus und seine Bewohner in einem Zeitraum von fast 100 Jahren beschreibt. Ein Buch wie ein Puzzle. Eine Herausforderung. Ein Kunstwerk der modernen Literatur. Eine Komposition aus Fantasie, Gefühl, Humor, Drama und Spott ... Aus allem eben, was ich bewundere.
Also, ja, sagen wir, ich hätte mir gewünscht, ein solches Buch zu schreiben.

Welches Buch nimmt bei Ihnen unnötig Platz weg, ist aber immer noch da?

Lustig ... Ich hätte euch eine ganze Reihe von Buchtiteln aufzählen können, aber gerade erst vor kurzem habe ich beschlossen, Platz im Bücherregal zu schaffen. In so einem Fall schleiche ich unauffällig runter zur Bushaltestelle vor meiner Haustür, lege die Bücher dort auf die Bank - und 20 Minuten später ... ist die Bank leer! Das ist die perfekte Lösung, damit die Bücher ihr Leben weiterleben.

Wann sind Sie mit einem Buch zufrieden?

Zugegeben, es ist einfacher, Leser eines Buches zu sein, als es selbst zu verfassen. Ich glaube, als Leser ist man eher bereit, sich zufrieden zu geben. Das Schreiben ist kompliziert, man tastet sich nur schrittweise durch den ganzen Schaffensprozess. Ich würde sagen, dass ich einstweilen zufrieden mit einem Absatz bin, mit einem Gefühl oder einer Atmosphäre, die ich darin herstellen konnte. Ansonsten ist der beste Moment beim Schreiben, wenn man den letzten Satz eines Romans schreibt. Das Ende eines Romans ist sehr wichtig, wichtiger als der Anfang. Häufig wissen Autoren nicht, wie sie ihre Romane enden lassen sollen.

Sind Sie schon einmal einem Buchinhalt nachgereist?

Es ist mir ein paar Mal in Venedig passiert, dass ich die beschriebenen Orte überprüft habe. Da denke ich gerade an die sehr berührenden Erinnerungen von Henri de Régnier: In »Atlantis oder das venezianische Leben« (1928) berichtet er über seinen Aufenthalt in Venedig zwischen 1900 und 1925. Ansonsten habe ich mich auch schon mal an die beschriebenen Orte aus den Büchern, die ich mochte, begeben, um zu untersuchen, ob die Beschreibung dieser Halle oder jenes Hofes mit der im Buch übereinstimmt. Es ist, als würde man in das Buch eintreten, fast einbrechen, wie ein Detektiv. Es ist ein eigenartiges Gefühl.

Wer oder was verführt Sie zu Büchern?

Ich glaube, wir alle brauchen Geschichten. Als Kind mögen wir Märchen, und dieses Verlangen verschwindet nie voll und ganz. Lesen bedeutet, seinem Alltag entfliehen zu können, woanders hinzukommen - ob mit einem guten Kriminalroman oder mit Marcel Proust. Ferner glaube ich, dass wir beim Lesen einfach nur Gefühle zulassen wollen, uns selbst erfahren wollen - und das nicht nur beim Lesen, sondern auch, wenn du dir zum Beispiel ein Gemälde ansehen. Auch hier sehnst du dich danach, wie auch in der Musik, ein bestimmtes Gefühl zu empfinden. Im Großen und Ganzen begründet dies auch den Erfolg dieser Zauberei, die in Literatur, Malerei, Architektur usw. steckt. Alles ist eine Frage des Gefühls. Wir sind einem Künstler immer dankbar, wenn er bestimmte Emotionen in uns auslöst: Trauer, Lachen, Angst, Freude. Das ist das Ziel. Wenn wir beim Lesen nur Ärger empfinden, schließen wir das Buch wieder. Der Zaubertrick darf nicht misslingen.

Das Wichtigste ist eigentlich, dass man sich so viel Mühe gibt wie ein guter Zauberer: Man bemüht sich, den Trick simpel erscheinen zu lassen, und vor unseren staunenden Augen ... ist der Vogel im Käfig plötzlich verschwunden!